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Der Kirchturm in Gildehaus

 

Die Ochtruper saßen ratlos um den Saaltisch. Ein bedrückendens Schweigen herrschte im ganzen Raum.

Nach jahrelanger, saurer Arbeit stand endlich ihre Kirche fertig da. Heilige Glaubenskraft, die die Dome baut, hatte sie aufgerichtet. Nun fehlte nur noch der Turm.

Alle hätten ihn gar zu gern. Er gehörte zum Dorf wie die Eiche zum Bauernhof. Aber woher zum Bau das Geld nehmen? Sichtlich sankt der Opfermut der Bürger.

In diesem Augenblicke zeigte sich hinter dem Pfeiler ein pfiffiges Gesicht. Schon seit einer ganzen Weile hatten daraus zwei listige Äuglein über die flachsblonden Köpfe der Westwestfalen hinweggesehen. Jetzt reckte sich der bewegliche Mann zu voller Höhe empor, trommelte vernehmbar auf einen Krugdeckel und sagte kurz: "Den Turm, ihr lieben Ochtruper, besorge ich euch in kurzer Frist!"

Alles horchte bei diesen Worten auf und sah gespannt nach dem Redner hinüber. Dieser hob das spitze Kinn ein wenig, so dass der kecke Hut mit der langen Hahnenfeder nach hinten rückte und fuhr fort: "Ich setze euch kostenlos einen schmucken Turm hin und ihr nehmt dafür, das ist meine einzige Forderung, den einen meiner Freunde zum Pastor und den anderen zum Küster."
   

Hinter dem Angebot witterten die biederen Ochtruper nichts Arges. Sie erklärten sich mit dem Pakte einverstanden, holten schnell den Dorfschreiber herbei und bald standen Namen und Siegel unter dem Vertrage.

Als sich Bauern und Bürger unter erregten Gesprächen verlaufen hatten und der Teufel sich noch ganz allein im Saal befand, schlug er sich ausgelassen aufs Knie und lachte ein übermütiges Teufelslachen. "Feines Geschäft!" meinte er. "Nun haben die Ochtruper nächstens einen gestohlenen Kirchturm und einen richtigen Teufelspastor. Meine Sache steht hier dann nicht schlecht!"

Draußen spannte er blitzschnell zwei große Feldermausflügel aus und flog in die Nacht. Feuer und Rauch wirbelten hinter ihm drein.

In Gildehaus lag groß und klein in tiefem Schlaf. Selbst der strebsame Bürgermeister hatte das Licht gelöscht. Durch die Straßen strichen die Eulen mit weichem Flügelschlage. Um Mitternacht bewegte sich eine vermummte Gestalt leise um den Kirchturm.

Plötzlich durchdrang ein beängstigendes Reißen und Rollen die Stille. Der Turm schwankte erst ein wenig um seine Achse und glitt dann ruhig in Richtung auf Ochtrup fort. Wohl vierzig Schritt.

Schon rutschte er oben auf den Bergrücken. Da stürzte am Fuß des Turmes plötzlich ein blitzender Gegenstand auf die Steine. Ein paar Funken sprühten ins Dunkle und der Kirchturm stand augenblicklich wieder still.

Erbost eilte der Teufel, der hier am Werk und gerade im Begriff war, den Gildehauser Kirchturm nach Ochtrup zu verschieben, vor die Südseite. O Schreck! Vor dem Turm lag das geweihte und eben herabgestürzte heilige Kreuz von der Spitze. Mit allen Mitteln versuchte der Teufel nun, die Bahn frei zu machen und den heiligen Gegenstand wegzuräumen, probierte auch, den Turm um das Kreuz herumzuwenden. Stunde um Stunde verstrich. Alles vergebens. Der Turm rührte sich nicht.

Da krähte ganz unten im Dorf ein früher Hahn. Über der Brechte ertönte ein frohes Lerchenlied und weckte das Leben und die Mächte des Lichts.

Den schwitzenden Teufel packte ohnmächtige Wut. Er riß die Spitze vom Kirchturm, nahm Steine von der oberen Brüstung und warf sie in die Heide auf Ochtrup zu.

Sein hinterlistiger Plan war durch das Kreuz vereitelt worden.

Ochtrup bekam einstweilen keinen Kirchturm, blieb aber auch von den Teufelsdienern verschont. Gildehaus behielt seinen Turm. Allerdings steht er bis zum heutigen Tage auf dem Fleck, wohin ihn der Böse in jener Nacht geschoben hat und in der Heide erinnern noch jetzt große, rundliche Steinbrocken an seinen nächtlichen Zorn.

 

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